Geteilte Mobilität im ländlichen Raum
Fünf Jahre Dorfmobilförderung im Landkreis OPR
Wer in Ostprignitz-Ruppin lebt, schätzt unter anderem die Weite, die wunderbare Natur und den besonderen Charme der ländlich geprägten Region. Es ist ein großer Landkreis mit einer geringen Bevölkerungsdichte. Und das stellt die Menschen im Alltag zugleich vor teils große Herausforderungen, die ein Stadtmensch möglicherweise gar nicht kennt, etwa wenn es um den Bereich der Mobilität geht. Wer kein Auto hat oder dieses nicht mehr fahren kann, ist auf Alternativen zum Pkw wie den öffentlichen Nahverkehr angewiesen. Aber nicht in jedem Dorf fährt regelmäßig ein Bus oder hält ein Zug.
Vor diesem Hintergrund sind neue Ideen und Lösungsansätze gefragt, um Menschen auch auf dem Land mehr Mobilität zu ermöglichen. Schließlich ist Mobilität Voraussetzung für soziale Teilhabe und Teil der Daseinsvorsorge. Zu den Ideen, die auch schon praktische Anwendung finden, gehören Dorfmobil-Projekte. Diese sind vergleichbar mit Carsharing-Angeboten in der Stadt, nur eben alles eine Nummer kleiner und von Bürger:innen vor Ort selbst betrieben. Vor fünf Jahren startete in Barsikow, einem Ortsteil der Gemeinde Wusterhausen, das erste vom Landkreis geförderte Elektrodorfmobil, organisiert und betrieben vom örtlichen Dorfverein. Und im vergangenen Jahr folgte dann mit dem FleckoMobil im Rheinsberger Ortsteil Flecken Zechlin ein ganz ähnliches Projekt, das sich Barsikow zum Vorbild genommen hatte und ebenfalls die entsprechende Unterstützung des Landkreises erhielt.
Fünf Jahre Dorfmobilförderung in Ostprignitz-Ruppin – Anlass genug, um auf die bisher damit gesammelten Erfahrungen zu blicken und darüber zu diskutieren, welchen Beitrag ein solches Dorfmobil zur Verbesserung der Mobilität im Landkreis leisten kann. Dazu hatte der Landkreis zu einem abendlichen Informationsaustausch in den Alten Konsum, dem dörflichen Treffpunkt, alle Interessierten gemeinsam mit dem Dorfverein eingeladen. Auch die Organisatoren des FleckoMobils waren mit von der Partie.
Zu Beginn der Veranstaltung ordnete die Mobilitätsmanagerin des Landkreises, Elisabeth Jänsch, noch einmal die Dorfmobilförderung in die gesamte Mobilitätsstrategie des Kreises ein. Der Landkreis setzt nämlich auf die Förderung verschiedener Verkehrsträger des Umweltverbundes und eine Verkehrsträgerverknüpfung der verschiedenen Angebote. Was bedeutet: Mobilität wird vernetzt gedacht. Angebote wie der motorisierte und nicht motorisierte Individualverkehr (Auto und Fahrrad), der öffentliche Nahverkehr (Busse der ORP und vier Bahnlinien), die geteilte Mobilität (Dorfmobil- und Carsharingprojekte) sowie Taxi- und Mietwagenangebote miteinander – wenn möglich – verknüpft. „Unsere Umfrage unter den Nutzerinnen und Nutzern des Dorfmobils in Barsikow hat auch gezeigt, dass viele auch häufig den ÖPNV im Alltag nutzen. Ein Dorfmobil, das gemeinschaftlich genutzt wird, ist aus unserer Sicht ein guter Baustein für die Mobilität im Landkreis und letztlich auch eine Stärkung des ÖPNV“, betonte Elisabeth Jänsch. Aber wie sieht nun ganz konkret die Bilanz nach fünf Jahren Dorfmobil in Barsikow aus? Welche Erfahrungen wurden gemacht und welche Erkenntnisse lassen sich davon ableiten?
Fabio Meister, der das Projekt des Dorfvereins seit dem Start Anfang 2020 betreut, hat an diesem Abend im Alten Konsum viel zu erzählen. Was nicht verwundert, denn immerhin hat das Dorfmobil schon rund 80-tausend Kilometer unter die Reifen genommen und dabei jede Menge erlebt: Viele Ausflüge waren dabei, auch Geschäftsfahrten, das Bringen und Holen von Gästen vom Bahnhof in Neustadt (Dosse). Zahlreiche Einkäufe wurden erledigt, aber eben auch Fahrten zu Veranstaltungen am Abend, deren Besuch ohne das Elektromobil und ohne eigenes Auto kaum realisierbar gewesen wären, denn in den Abendstunden fährt kein Bus mehr. Aber auch Termine wie beispielsweise beim Arzt oder bei der Fußpflege konnten auf diese Weise wahrgenommen werden, genauso wie spontane Touren nach Berlin oder anderswo.
„Von den am Anfang gesetzten Zielen konnte eines in jedem Fall umgesetzt werden, nämlich die Verbesserung der Mobilität im Dorf“, berichtet Fabio Meister. Aber zur Wahrheit gehört auch dazu, dass nicht alle Wünsche in Erfüllung gingen, wie etwa jenes Ziel, dass möglichst alle Führerscheininhaber:innen in Barsikow zu registrierten Nutzer:innen des Dorfmobils werden. Fabio Meister: „Das erhoffte große Wachstum, das wir uns am Anfang vorgestellt hatten, ist leider bisher ausgeblieben. Momentan sind wir bei 45 registrierten Nutzerinnen und Nutzern, und von diesen sind pro Monat etwa fünf bis 12 aktiv. Die meisten davon sind pro Fahrt zwischen 20 und 50 Kilometern unterwegs.“ Die Nutzer:innenbefragung durch den Landkreis ergab, dass mit dem Dorfmobil in Barsikow vorwiegend Personen angesprochen werden, die kein oder nur ein einziges Auto im Haushalt zur Verfügung haben. „Es ist sehr positiv zu bewerten, dass durch das Dorfmobil wirklich den Zweitwagen ersetzt werden konnten“, schätzt Elisabeth Jänsch, die Mobilitätsmanagerin des Landkreises, ein.
Was die finanzielle Seite angeht, so steht das Projekt Dorfmobil in Barsikow auf gesunden Beinen, wie Fabio Meister nach fünf Jahren Betrieb feststellen konnte. Gleichwohl müssen unvermeidliche Kostensteigerungen, wie etwa für Werkstatt und Versicherung, mit berücksichtigt werden, was zu einer baldigen Erhöhung der Stundentarife für die Nutzung des Fahrzeugs führen dürfte, wobei auch dann noch die Konditionen auf dem Markt der Carsharing-Mobile im eher günstigen Bereich liegen wird. Eine weitere Erkenntnis aus Barsikow ist nach diesen ersten Jahren, dass niedrige Tarife nicht automatisch zu einem Nutzungswachstum führen.
Um dieses angepeilte Wachstum und die Möglichkeiten, mehr Menschen für solche Modelle der geteilten Mobilität zu gewinnen, ging es auch in der abschließenden Diskussionsrunde im Alten Konsum. Dr. Ernst-Peter Jeremias, der in Flecken Zechlin das Dorfmobil-Projekt nach dem Vorbild von Barsikow im vergangenen Jahr mit dem örtlichen Heimat- und Kulturverein ins Laufen gebracht hatte, will mit noch mehr Werbung die Nachfrage nach dieser alternativen Möglichkeit der Fortbewegung ankurbeln. „Unser Ziel ist die dauerhafte Etablierung des FleckoMobils, um eine ähnliche Entwicklung wie in Barsikow zu erreichen. Auch hier sind es bislang wenige Nutzer mit vielen Fahrten, die für den Umsatz sorgen. Aber wir wollen schon dahin kommen, mit den Einnahmen am Ende mehr als nur die monatlichen Kosten abzudecken.“ Darüber hinaus fehlt es unter anderem noch an Ehrenamtlichen, die sich für Menschen, die nicht mehr mobil sind, bei nachgefragten organisierten Fahrten ans Steuer setzen.
Aus Barsikow kommt in der Diskussion der interessante Hinweis, dass das Dorfmobil bei Besucher:innen bzw. Gästen des Dorfes sehr beliebt sei. Aber auch über die wichtige Frage, warum Carsharing bei vielen Menschen trotz der zahlreichen positiven Aspekte noch auf Ablehnung stößt, wurde gesprochen. Offenbar, da war sich die Runde so ziemlich einigt, hat eine Mehrheit der autofahrenden Bevölkerung in Deutschland weiterhin Hemmungen in Bezug auf elektrisch betriebene Fahrzeuge. Der Ortsvorsteher von Barsikow, Willem Schoeber, merkte an, dass man diesbezüglich weiter mit unglaublichen Fake-News sowie Vorurteilen zu kämpfen habe, etwa mit jenem, dass E-Fahrzeuge im Fall eines Brandes von der Feuerwehr nicht gelöscht werden. Und für den ein oder anderen ist die Nutzung des Dorfmobils offenbar zu kompliziert, insbesondere wenn es darum geht, spontan irgendwo hin zu fahren. Die Nutzer:innen berichteten jedoch nur positiv von der App zur Buchung von Fahrten. Ein vor Projektstart initiierter Smartphone-Kurs im Dorf, vor allem für die ältere Generation, scheint hier Früchte getragen zu haben.
Voll des Lobes war Wusterhausens Bürgermeister Philipp Schulz für das Engagement der Menschen in Barsikow, das Vorbildcharakter habe. Ebenfalls diskutiert wurde als Mobilitätsalternative der Einsatz eines Bürgerbusses in den Dörfern, um so das fehlende reguläre Busangebot auszugleichen. Dazu äußerte sich Vize-Landrat Werner Nüse: „Bisher hat es im Landkreis keine Initiativen für einen solchen Bürgerbus gegeben, obwohl der Landkreis selbst seine Unterstützung angeboten hatte.“
Elisabeth Jänsch zog am Ende des erkenntnisreichen Abends ein positives Fazit des Informationsabends in Barsikow. Ein Austausch in dieser Form sei wichtig, um weitere Projekte wie in Barsikow oder Flecken Zechlin auch in anderen Dörfern entstehen zu lassen. Mit diesen ehrenamtlich organisierten Dorfmobilprojekten ließen sich zwar nicht alle Herausforderungen ländlicher Mobilität lösen, aber sie könnten in den Dörfern doch einen wertvollen Beitrag leisten, der Abhängigkeit gegenüber dem eigenen Auto etwas entgegen zu wirken.
Am Rande der Veranstaltung wurde übrigens bekannt, dass etwa Zempow, ein Ortsteil von Wittstock/Dosse, entsprechende Pläne schon in der Schublade liegen hat. Auch dort könnten sich die Dorfbewohner:innen oder Gäste bald ein Auto teilen.